#SGEKiebitz – Dabeisein ist alles

von Tom

„Es gab Zeiten, da tummelten sich beim öffentlichen Training der Eintracht ein paar in die Jahre gekommene Kiebitze zum Fachsimpeln. Inzwischen ist der Hype in Frankfurt so groß, dass sogar Übungseinheiten ausverkauft sind. Wer am Mittwoch beim Vorbereitungsauftakt dabei sein wollte, musste schnell sein: Die 1000 kostenlosen Tickets waren binnen Minuten vergriffen.“

Kicker

Diesem Zitat wäre eigentlich beinahe meinerseits kaum noch etwas hinzuzufügen gewesen. Wer zu spät kommt, den bestraft die Eintracht und so war ich eigentlich schon draußen, wäre da nicht meine liebe Kiebitz-Kollegin Vatmier gewesen. „Morsche, mein Lieber, sehen wir uns später beim Training?“ schrieb sie mir gestern früh und wahrheitsgemäß weinte ich zurück: „Leider nein. Dieses Ticketing ist irgendwie an mir vorbeigegangen.“

Dem entsprechend befand ich mich zu besagtem Zeitpunkt am frühen Morgen schon leicht verstimmt auf dem Weg zur eigenen Laufeinheit an den Main, um mir den Ärger aus den Füßen zu laufen und daneben mein eigenes knallhartes Ü60-Fitness-Programm für die neue Saison weiter durchzuziehen. Sodann wollte ich pünktlich zur Live-Schaltung bei EintrachtTV zumindest vor dem heimischen Fernseher sitzen. Dabeisein ist schließlich alles und der Trainings-Kiebitz „alter“ Schule geht selbstredend mit gutem Beispiel voran in die neue Saison.

Natürlich breche ich altersbedingt auch hin und wieder („Keuch!“ “Ächz!!“ „Stöhn!!!“) bei diesen Temperaturen mal eine übertriebene Laufeinheit ab und so fiel mir angesichts der anhaltenden Hitzewelle auch die spontane Neujustierung meiner Pläne sehr leicht, als ich von Vatmier wie aus heiterem Himmel die wundersame Nachricht erhielt: „Ich habe noch eine Karte!“ Da war ich natürlich hoch erfreut („Dabeisein ist – wie erwähnt – alles!“). Ein paar Klicks später tauchte der Freifahrschein via Vatmier in meiner Wallet auf und ich eilte beglückt nach Hause, wechselte hektisch das Lauf Trikot hin zum schmucken Eintracht-Schwarz-Weiß, rückte Sonnenbrille und Kappe telegen zurecht und eilte schnurstracks gen Stadion.

Und als dann exakt um 11.08 Uhr (Quelle: FAZ) Beifall von 1000 glücklichen Zuschauern aufbrandet und die Eintracht-Profis die Saison mit einem lockeren Trab rund um den Platz der „Kleinen Kampfbahn“ nahe der Frankfurter Arena aufnehmen, bin ich dann tatsächlich nicht nur dabei, sondern mittendrin. Vatmier ist leider mit dem Schebbe im Bus hängengeblieben und kommt erst ein wenig später. Wir finden uns trotz des munteren Gewusels von großen und kleinen Fans dann aber recht schnell und begrüßen uns frohgemut. Die neue Kiebitz-Saison kann beginnen.

Gewusel ist dann auch das passende Stichwort für das Geschehen auf dem herrlich grünen Rasen, der fast schon allein den freien Eintritt wert ist. Am Mainufer ist ja schon mehr Steppe als Wiese anzutreffen.

Wer ist wer? So einfach ist das gar nicht. Hinter der Absperrung entwickelt sich ein munteres Spielerraten, dass sogar einige altbekannte Kiebitze meiner Ü60-Altersklasse, die ich voller Freude begrüße, ein wenig an die Grenzen bringt. Denn mal abgesehen von den „alten Hasen“ Makoto, Seppl, Chandler und Götze, die natürlich ob der kurzen Sommerpause und überhaupt sofort wiedererkannt werden, gibt es viele Fragezeichen.

“Also ihr Leute, ganz klar, dass ist Ellyes Skhiri und das Robin Koch.” … “Ach ja, jetzt erkenne ich ihn auch. Ist das nicht Aride Falidou? Nein, der hat doch noch Urlaub wegen der U21-EM.” … “Und da ist der Ache! Ist der nicht noch nach Fürth ausgeliehen? Nein, ist im Moment wieder bei uns.” … “Dass ist der Toppmöller!? Der sieht ja aus wie ein Spieler.” … “Da, denn kenne ich, das ist doch der Hauge. Und der Schlaks da, das ist bestimmt unser neuer Schwede, der Hugo Larsson, oder?” … “Das ist ja ein Ding, Smolcic ist wieder auf dem Platz. Was hatte der noch mal?” (Meniskus).

Um da den Überblick zu behalten bedarf es des echten Vollexperten. So weiß ich natürlich als wandelndes Lexikon des unnützen Eintracht-Wissens selbstredend, dass Ali Akman nicht mehr bei den Profis trainiert, sondern ab sofort (hoffentlich) die U21 verstärkt. Dafür durfte Rechtsverteidiger Elias Braun (17) auf dem Feld mitmischen. Wie der aussieht? Keine Ahnung. Stand aber jedenfalls („Duck und weg!“) in der Bild. Also dass er dabei war.

Breaking-News übrigens zum norwegischen Rückkehrer Jens Petter: Einen Tag später trug er im Training offenbar ein Stirnbändchen, um nicht ganz so oft in die Haarpracht greifen zu müssen wie schon bei uns am Platz und später dann auch im „Trend“-Blog-G gestern völlig zu Recht kritisiert wurde (Quelle: Eintracht-TV). Der Junge scheint also lernfähig zu sein, was zu Hoffnung Anlass gibt. Neue Saison, neues Glück. Dino Toppmöller kündigte schon an, dass bis zum Eintreffen der noch urlaubenden Nationalspieler gerade die Jungspunde jede Gelegenheit haben, sich nicht nur zu zeigen, sondern auch zu überzeugen.

Nicht verkehrt zu wissen daher auch, dass die Neuzugänge Omar Marmoush und Willian Pacho ebenso noch fehlen wie Kevin Trapp, Faride Alidou, Jesper Lindström, Djibril Sow, Rafael Borré und Randal Kolo Muani, die mit ihren Nationalmannschaften unterwegs waren und ihren Trainingsauftakt in Frankfurt erst am 17. Juli haben. Zudem muss Trainer Toppmöller noch länger auf die die verletzten Ansgar Knauff (Schlüsselbeinbruch) und Lucas Alario (Knie-OP) verzichten.

Ganz schön knifflig trotzdem schon jetzt, da den Überblick zu behalten, zumal alle Anwesenden auf einem engen Halbfeld herumwuseln und in einem Spielchen links vier kleine Tore und rechts drei große aufgebaut sind. Aus der dritten Reihe alles genau zu sehen und gleichzeitig alle Fragen an den Vollexperten wortreich und vor allem nicht zu kurz zu beantworten sind, ist da gar nicht so einfach. Also jedenfalls für mich.

Da ist es dann durchaus hilfreich im Nachgang noch mal wie eigentlich ja auch vorgesehen beim „Re-Live“ noch mal eine Videoanalyse nachzuschieben und dann beim Schreiben so zu tun, als hätte ich das alles gleich auch schon auf dem Platz gesehen. Aber das bleibt unter uns.

Der junge Schwede Larsson macht jedenfalls mit einem Heber gleich ein sehr hübsches Tor, einmal netzt Aarenson auf Steckpass von Götze ganz cool ein. Also das sieht schon mal gar nicht so übel aus, die können kicken, wir werden auf Jahre hinaus unbesiegbar sein. Sonderlob von meiner Seite auch selbstredend für die Oldies Rode und Hasebe, die haben es einfach drauf. Der Japaner sieht für sein biblisches Fußballalter auch in seiner gefühlt 50. Saison für die Eintracht immer noch unfassbar schlank und fit aus. Ich bin mal wieder schwer beeindruckt.

Dann last but not least das Schaulaufen und Autogrammeschreiben von Dino Toppmöller und seinen Spielern bei den Fans. Stichwort: „Eintracht zum Anfassen“ (FR). Die paar Worte, die ich vom Trainer höre bestätigen mir jedenfalls wie höflich und umgänglich der neue Coach im persönlichen Umgang ist. Alles andere wird man sehen. Hoffentlich reicht die knappe Zeit von vier Wochen Vorbereitung aus, um seine Vorstellungen schon so rüberzubringen, dass es zu einem guten Saisonstart kommt, was sicher sehr wichtig wäre, um in Ruhe weiter an Details feilen zu können. Das Kommen und Gehen, das wohl bis Ende der Transferperiode anhalten wird, macht es dem neuen Coach allerdings nicht leichter.

Nicht zuletzt wird natürlich viel auch von der Personalie Kolo Muani abhängen. Geht er oder bleibt er und wann entscheidet sich das? Rund um den Trainingsplatz herrscht eher die Meinung vor, dass die Eintracht einen solchen Topstürmer nicht wird halten können und im Fall der Fälle dann ziemlich rasch für Ersatz gesorgt werden muss.

Markus Krösche hat meiner Erinnerung nach auf der Pressekonferenz zur Vorstellung von Dino Toppmöller versucht, diesen totalen Fokus auf einen einzelnen Spieler zu relativieren, in dem er darauf hinwies, dass ein Team immer im Ganzen funktionieren müsse und der Erfolg nie nur von einem Einzelnen abhänge. Nun gut, wenn man sich vor Augen hält, dass in der vergangenen Saison mit Union Berlin und dem SC Freiburg zwei Teams vor uns gelandet sind, obwohl beide keinen absoluten Top-Mittelstürmer in ihren Reihen haben, mag auch da etwas dran sein. Aber Ersatz müsste dann halt auf jeden Fall her. Die FR mutmaßte unlängst unter Bezugnahme auf die französische Sportzeitung L’Equipe, dass die Eintracht schon die Fühler nach dem französischen Nationalspieler Elye Wahi von HSC Montepellier ausgestreckt habe und nach dem Linksverteidiger Nils Nkounku von AS St. Etienne gleich mit. Die Verpflichtung von Stürmer Jessic Ngangkam (22) von Hertha BSC für 4 Mio. € ist laut diverser Quellen auch schon so gut wie fix.

Da wird einem fast leicht schwindelig. Am besten gehe ich ins Bett, ziehe mir die Decke über den Kopf und lasse mich überraschen. Vorher aber werfe ich noch einen Blick in den neuen kicker und stelle fest, dass die Eintracht im Fall der Fälle jedenfalls nicht allein ist bei der Suche nach einem neuen Mittelstürmer. Da ist etwa Bayer Leverkusen, dass noch bis wenigstens Oktober verletzungsbedingt weiter auf den schon in der Vorsaison lange fehlenden Mittelstürmer Patrick Schick verzichten muss und daher schon jetzt auf der Suche nach Ersatz ist. Da fallen Namen von Niklas Füllkrug (Werder Bremen) bis hin zu dem Ex-Wolfsburger Wout Weghorst (30), der nach kicker-Informationen mit einer Rückkehr in die Bundesliga liebäugelt. Auch der SC Freiburg sucht noch nach einem Stürmer und soll dafür bis zu 10 Mio. € zur Verfügung haben. Die Freiburger haben laut Zentralorgan allein durch die Abgänge der Spieler Flekken, Kevin Schade und Woo-Yeong Jeong im Gegensatz zur Eintracht bereits Transfererlöse von knapp 41,1 Mio. € erwirtschaftet. Es dürfte jedenfalls alles noch ziemlich lange in Bewegung bleiben, noch sind die ersten auch ganz großen Dominosteine (Mbappe, Kane) nicht gefallen.

Aber was man hat, das hat man. Und da ist Ellyes Skhiri bei der Eintracht sicher als erster zu nennen: „Bescheidener Charakter, großartiger Fußballer, leiser weiser Anführer“ (kicker), die Superlative überschlagen sich mittlerweile so, dass Dino Toppmöller sogar schon öffentlich ein wenig auf die Euphoriebremse treten muss, um ein wenig Druck von den Schultern des tunesischen Nationalspielers zu nehmen. Der aber eben auch bei seinen ersten Auftritten rundweg zu überzeugen weiß. Nicht nur im Training am Ball, wie der Schebbe richtig anmerkte, sondern auch auf der anschließenden Pressekonferenz, wo Skhiri trotz anwesendem Dolmetscher dann fast das ganze Gespräch mit den Frankfurter Journalisten auf Deutsch führt und sich hinterher sogar im letzten Satz noch in vollendeter Bescheidenheit für sein angeblich schlechtes Deutsch nach 4 Jahren Köln entschuldigte. Da stimme ich  Ingo Durstewitz mal aus vollem Herzen zu, der dankenswerterweise in seinem FR-Artikel darauf hinwies, dass die Medienvertreter an dieser Stelle entschieden protestierten. „Da hat einer eine gute Visitenkarte hinterlassen.“ (Durstewitz/FR). Der junge Larsson, der (verständlicherweise) in der heutigen PK nur Schwedisch sprach, hinterließ bei mir im Übrigen auch einen sehr aufgeweckten Eindruck. Und die Angst vor Adler Attila nehmen sie ihm bestimmt auch noch.

Viel Arbeit also noch in den nächsten Wochen für Trainer und Team, aber ein Anfang ist gemacht. Auch mit dem Kiebitzen.

Danke daher abschließend ein letztes Mal an Vatmier. Wir zogen am Ende durchaus guter Dinge und positiv gestimmt ab. Und kommen bestimmt bald wieder. Denn Dabeisein ist alles, die Saison ist noch lang und ein Spiel dauert 90 Minuten. Wenn uns also der Himmel oder der VAR nicht auf den Kopf fallen, wird auch diese Saison am Ende nach vielen Ups und Downs und unserem unvermeidlichen Geknottere hoffentlich wieder eine erfolgreiche sein. Wir werden es erleben.

4 Gedanken zu „#SGEKiebitz – Dabeisein ist alles“

  1. Danke Tom, sehr schöner Trainingsbericht (wie zu erwarten aus deiner Feder) und auch Dank an Vatmier, die das Ganze erst ermöglicht hat.

    P.s. Wem gehört denn die gepflegte Hand auf Skhiris Schulter?

  2. Auch hier, lieber Tom, vielen Dank für den tollen Bericht.
    Freut mich sehr für dich, dass du dir das Eintracht-Training doch noch im Stadion anschauen konntest.

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