#SGE Trainingskiebitz – Begegnung im Stadtwald oder: der japanische Freund

von Tom

Als neuer Trainings-Kiebitz der alten Schule bereite ich mich selbstredend auch am Schreibtisch und über (fast) alle Medien auf alles akribisch vor, was rund um meine Eintracht-Kicker während der Woche im Wald passiert. Und so entging mir selbstverständlich vor Fertigstellung dieses Beitrags beim beiläufigen Blick auf hr-online auch nicht, dass an diesem Mittwoch beim öffentlichen Vormittagstraining 300 Fans anwesend waren. Zu denen ich allerdings nicht gehörte. Opa Tom hatte andere wichtige Termine und kann daher nur über die Einheit am Dienstag fabulieren, dies allerdings umso exklusiver, da hier bei trübem Schmuddelwetter gefühlt nur 3 Fans inklusive mir zuschauten. Also am Anfang jedenfalls.

Ich war also dabei. Da „erst“ um 7.30 Uhr erwacht, wurde es schon vergleichsweise eng, denn der Aufgaben am Morgen sind viele für den Frührentner und das ein oder andere dauert im Müßiggang durchaus ein wenig länger als früher. Aber man gönnt sich ja sonst nichts. Da ich aber am Mittwoch jedenfalls definitiv nicht konnte, war es wichtig, zumindest am Dienstag mal wieder vor Ort zu sein. Sonst wäre meine ru(h)mreiche Kiebitzkarriere womöglich schneller wieder zu Ende als sie begonnen hat. Und überhaupt: Versprochen ist versprochen.

Etwas zu spät, aber immerhin breche ich also um schließlich um kurz nach zehn auf. On the road again! Zum Laufen wird es heute zu knapp und so nehme ich ab der Ecke Schweizer-/Gartenstraße die Straßenbahn und bin alsbald am Oberforsthaus. Von dort eile ich die Flughafenstraße entlang zum Stadion-Hintereingang. Alles ist fast nahezu menschenleer um diese Zeit. Trotzdem gibt es auch da viel zu entdecken. So harren immer wieder imposante Eintracht-Graffitis und Bilder am Straßenrand der Entdeckung und sind durchaus das ein oder andere Foto am frühen Morgen wert.

Die rechte Seitentür am Stadioneingang ist wie immer offen. Ich eile auf das Gelände und winke kurz Matthias Thoma im Eintracht-Museum zu, der gerade einen Workshop mit Schülern eröffnet. Ein kurzer wehmütiger Blick auf den Gedenktisch für Sonny vor dem Museum, dann geht es zum Trainingsplatz.

Wie eingangs bereits erwähnt, bin ich heute nahezu alleine. Außer den Spielern, die aber offenbar auch erst kurz vor mir den Platz betreten haben. Im kleinen Kreis am Rande entspinnt sich nun schnell ein netter Plausch zwischen mir und einem zweiten anwesenden Eintracht-Pensionär, der allerdings immer unruhiger nach Kolo Muani Ausschau hält. Muss der etwa heute pausieren?? Nein, tief durchatmen, natürlich nicht, er hat sich lediglich mit einer Mütze getarnt. Ich erkenne ihn natürlich trotzdem auch von weitem. Mein neuer Kiebitz-Kollege lässt sich dennoch nur langsam überzeugen und verwechselt ihn aus der Ferne dauernd mit den ebenfalls wärmende Mützen tragenden Abwehrrecken Tuta und N’Dicka.

Unser dritter im Bunde ist ein junger Japaner auf Sightseeing-Tour im Stadtwald, mit dem wir nun mehr schlecht als recht zu radebrechen beginnen. Sein Englisch mit japanischem Akzent ist nicht ganz leicht zu verstehen, aber jedenfalls präsentiert er uns stolz ein gerade im Fanshop gekauftes Champions-League-Trikot von Jesper Lindström. Warum es jetzt keines von Daichi Kamada oder Makoto Hasebe geworden ist, erschließt sich uns zwar nicht so recht, aber ja, die zwei will er natürlich auch zumindest sehen und sich mit ihnen fotografieren lassen. Wobei die Augen des Jünglings beim Namen Kamada noch ein wenig mehr leuchten, wie es mir scheint. Ja, Makoto Hasebe sei in Japan schon eine Ikone, sagt er. So wie bei uns vielleicht (früher) nur Beckenbauer, doziere ich. Ob der Name unserem neuen japanischen Freund wirklich etwas sagt, bleibt offen, er lächelt jedenfalls freundlich. Was er allerdings die ganze Zeit tut.

Aber wichtig ist jetzt natürlich, was auf dem Platz geschieht. Als Kiebitz ist man ja schließlich nicht nur zum Vergnügen da. Auf die Spieler der Startelf beim vergeigten Spiel gegen Köln am Sonntag kann man sich jedenfalls gut konzentrieren, denn die traben gemeinsam und für sich allein mit einem Assistenztrainer über den Rasen und schnicken die Bälle auf Vorlage der Außen Buta und Max nur locker und lässig, das ein oder andere Späßchen machend, ins leere Tor. Auf Kevin Trapp hat man für diese Übung verzichtet, wohl um die Sache nicht unnötig zu verkomplizieren.

Richtig zur Sache geht es dagegen bei einer Art „Trainingsgruppe Zwei“ mit allen, die in Köln nur kürzer oder gar nicht zum Einsatz gekommen sind. Hier tun auch Rode, Knauff, Borré oder Alario mit. Auf engem Raum dirigiert Oliver Glasner höchst selbst und fordert immer wieder auch lautstark ein Spiel mit kurzen Ballkontakten. Ich muss kurz an die aufkommende Kritik über zu viele Standard-Gegentore denken, aber hohe Flanken auf die geballte Defensive werden zumindest heute nicht geübt. Vielleicht hat sich das Glasner für die Mittwochs-Einheit vor großem Publikum aufgehoben, mir sind allerdings auch bei meinem letzten Besuch solche Übungen nicht aufgefallen. Für mich scheint die Eintracht im Training bewusst mehr an ihren Stärken als an ihren Schwächen zu schrauben, aber der Eindruck mag täuschen.

Noch weiter links von uns trainieren zudem alle drei Torhüter für sich allein. Insgesamt ist schnell klar, dass das zumindest für die „erste Elf“ nur eine Art regenerative Einheit ist. Für unseren japanischen Gast ist das umso erfreulicher, denn da sich Götze, Kamada und Kolo Muani eher weniger bewegen, sind sie für uns Zuschauer auch umso besser zu in voller Lebensgröße zu bewundern. Mario Götze kennt man jedenfalls auch in Japan.

Wer gar nicht auf dem Platz „steht“, ist allerdings Makoto Hasebe. Da ich mittlerweile den regenerativen Zweck der Übung voll durchschaut habe bzw. den anderen gegenüber so tue, als wäre das so, erkläre ich voller Überzeugung bei tatsächlich womöglich totaler Ahnungslosigkeit, dass unser betagter Makoto bei dieser Sachlage heute bestimmt das Recht habe, lieber im Campus ein heißes Bad zu nehmen und auf das anstrengende Herausradeln zum Trainingsplatz zu verzichten. Am Samstag gegen Bremen soll er schließlich wieder topfit sein und Neapel ist ja auch bald.

Geschult wie ich mittlerweile bin, deute ich dann unserem japanischen Gast an, dass für ihn die entscheidende (Lauf)Einheit komme, wenn die Spieler beginnen Anstalten zu machen, mit ihren Fahrrädern das Trainingsgelände zu verlassen. Das geht dann auch auf einmal radelnd schnell und so sehr sich unser neuer Freund nun auch eilt: Daichi Kamada erwischt er zum erhofften Selfie nicht mehr. Der ist als erster ganz schnell entschwunden und hatte sich wohl auch so gut wie gar nicht von den anderen inzwischen anwesenden Fans an der Ausfahrt des abgesperrten Security-Bereichs aufgehalten. Das käme öfter vor, sagt mir einer der an dieser Stelle jetzt doch zahlreicheren Fans, der scheue Daichi sei da meist als erster weg und nur schwer greifbar.

Die Enttäuschung währt allerdings nur kurz, denn zu greifen bekommt unser japanischer Freund immerhin Jesper Lindström, und der ist natürlich hoch erfreut, sein eigenes Trikot von einem Fan aus Übersee signieren zu lassen. Ein Selfie mit dem stets freundlich lächelnden Dänen ist auch kein Problem, und so kehrt unser asiatischer Jüngling freudestrahlend zu uns Alten zurück, die sich das alles wohlwollend aus der Ferne ansehen. Ich lächele in mich hinein, denn ausgerechnet der von mir ansonsten sehr geschätzte Jesper hatte von mir am Spieltag gegen Köln in der Fußballkneipe einiges zu hören bekommen. Seine schlamperten Abspiele auf Kolo Muani waren meines Erachtens schon ein Nagel zum Sarg der Niederlage gegen die Rheinländer. Und wenn unser französischer Wunderstürmer mal einen gebrauchten Tag hat wie wohl jeder von uns: Gerade dann muss auch mal der Nebenmann eigene Torgefahr entwickeln. Was er halt an diesem Tag auch nicht tat. Ich hätte Lindström an diesem Tag wahrscheinlich schon zur Pause durch den derzeit ja auch recht formstarken Borré ersetzt. Aber ich schweife ab.

Wir empfehlen unserem japanischen Freund jedenfalls, noch ein wenig an der „Radausfahrt“ der Spieler zu verharren und dieser Rat wird sich auch tatsächlich lohnen, denn: Auch Kevin Trapp, Sebastian Rode, Raphael Borré und Kristijan Jakic lassen sich allesamt auch noch via Selfie ablichten und dann unterbricht sogar noch Oliver Glasner seine Radtour in die wohlverdiente Mittagspause. Spätestens jetzt kennt die Begeisterung unseres japanischen Freundes kaum noch Grenzen. Ich meinerseits darf noch Kristijan Jakic erwähnen, der sich mit einer Freundlichkeit, die kein bisschen gestellt wirkt und mir gerade angesichts seiner derzeitigen Reservistenrolle besonders imponiert, für wirklich jeden Fan, der ihn anspricht, alle Zeit nimmt, die es braucht. Sehr sympathisch wirkt das, ich wünsche ihm spontan alle Einsatzzeiten dieser Welt.

Wir dagegen müssen abschließend noch eine Überraschung darüber verdauen, was wir während der gemeinsamen Wartezeit aus dem Munde unseres japanischen Fan-Kollegen hören. Der verkündet uns nämlich ganz beiläufig, dass er noch ein paar Tage in Frankfurt bleibe, nicht zuletzt, um auch gegen Neapel im Champions-League-Achtelfinale live vor Ort zu sein. Jetzt ist bei uns die Verblüffung doch groß: Wie und zu welchem Preis er denn an seine Karte gekommen sei? Ich zum Beispiel habe eben von meiner Option des Dauerkarteninhabers Gebrauch gemacht und zahle durchaus überraschend wie alle meine „Beisitzer“ diesmal satte 50 €, um gegen den italienischen Herausforderer meine Lieblinge live zu sehen. Jetzt druckst er doch ein wenig herum und nennt schließlich einen Betrag von über 400 €, den er für das Ticket gelöhnt habe. Da atmen wir nun doch durch. Wie genau er jetzt an die Karte zu diesem Preis gekommen ist, bleibt dunkel. Mein Kollege erinnert sich von Sponsorentickets gehört zu haben, von denen möglicherweise auch ausländische Kunden profitieren. Aber wir wissen halt wie immer am Ende dann doch nix. Ich erinnere mich jedenfalls, dass die Eintracht gerade wieder hat verlauten lassen, dass sie ganz energisch gegen den Schwarzmarkt und die illegale Weitergabe von Tickets durch Mitglieder vorgehen werde. Sehr zu Recht wie ich finde.

Nichts desto trotz verabschieden wir uns herzlich von unserem Gast und er von uns. Hat Spaß gemacht. Möge er seinen Aufenthalt weiter genießen und eine erfolgreiche Eintracht gegen Neapel sehen.

Ich wende mich wieder meiner Sachsenhäuser Heimat zu. Der Workshop im Museum dauert leider nach wie vor an, so dass ich diesmal hier keine Station mehr machen kann. Aber ich brauche alle meine Kräfte jetzt wieder „On the road again“ ohnehin für den Gang nach Hause hinunter zum Main und dann bis zum Eisernen Steg wieder zurück. Denn ohne Laufleistung geht leider gar nix. Zumindest für mich. In diesem Sinne auf bald zurück im Wald.

Update Donnerstag, 14.00 Uhr: Soeben ist die Pressekonferenz mit Oliver Glasner zum Spiel gegen Werder Bremen zu Ende gegangen. Ich halte fest: Das Abstellen der Standardschwäche war außerhalb meines Gesichtsfeldes spätestens seit Mittwoch sehr wohl Teil der Aufarbeitung des Köln-Spiels. Mannschaft und Trainerteam haben sich etwas ausgedacht und offenbar auch eingeübt. Ob es zum Besseren führt, wird man sehen. Übermäßige Kritik am Spiel von Jesper Lindström in Köln gab es vom Trainer nicht, leichte Unsicherheiten im Passspiel seien nach einer Spiel- und Verletzungspause durchaus nichts, was Besorgnis erregen müsste. Lindström sei unter dem Strich auch durchaus gefährlichster Angreifer der Eintracht gewesen. Dass Kristijan Jakic schon am Dienstag in guter Stimmung war, könnte durchaus auch mit einer erhöhten Chance zusammenhängen, am Samstag wieder mal in der Dreierkette zu beginnen. Fazit: Die freundliche Kritik und Deckelung von Oliver Glasner nehme ich hin und werde an mir arbeiten. Warum soll es mir auch besser gehen als den Kollegen der schreibenden journalistischen Zunft. Glasners Antworten auf deren Fragen hinterlassen bei mir auch immer wieder den Eindruck, dass er vielleicht doch noch einen Tick mehr Ahnung vom Fußball hat als die Fragesteller. An deren Einstellung lag es aber jedenfalls auch nicht und zum Glück ist meine Laufleistung im neuen Jahr laut Schrittzähler eigentlich auch einigermaßen ordentlich. Und Chapeau: Nachdem Oliver Glasner erklärt hatte, dass seine Mannschaft auch vieles richtig gemacht habe, aber eben im Detail auch vieles falsch, woran es zu arbeiten gilt, hätte ich mich eher nicht getraut, ihn abschließend zu fragen, ob es denn nicht doch mehr daran gelegen habe, dass Köln den Sieg mehr wollte. Die Antwort war erwartbar. Aber da ist der Kollege Ingo von der FR zum Glück wohl auch etwas härter im Nehmen als ich.

Ich schließe mich jedenfalls den versammelten Kiebitzen vom Mittwoch an und erwarte gegen Bremen einen Sieg. Mein Tipp: 3:1 für die Eintracht.

Alle Bilder: Tom

7 Gedanken zu „#SGE Trainingskiebitz – Begegnung im Stadtwald oder: der japanische Freund“

  1. Wieder ein sehr schöner Beitrag mit tollen Fotos, lieber Tom!
    Ich bin schon auf deinen nächsten Beitrag gespannt.

  2. Siehst du Tom, kaum wünschst du Jakic Einsatzzeit, schon leitet er gegen Bremen die Abwehr;-)
    Und das sehr souverän. Hoffe du hast Kolo und Jesper je zwei Tore gegen Napoli gewünscht.

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