Früher war alles besser. Da wusste man, was einen erwartete, wenn man als Trainings-Kiebitz vormittags im Stadtwald erschien: Entspanntes Plaudern am Spielfeldrand beim öffentlichen Training mit Rentnern, Journalisten und anderen Unken und Schönbabblern der alten Schule, die sich über Funkel und Veh aufregen. Heute beginnt so ein Besuch erst einmal mit einer verzweifelten Terminsuche. Wann öffnet der eng getaktete Terminplan der Eintracht mit vielen englischen Wochen nebst Auslandsreisen und Regeneration überhaupt einmal die Möglichkeit eines öffentlichen Trainings, dessen Beginn dann auch noch in den Eintracht-Medien vorab bekannt gegeben wird und wenn es ihn gibt: Hat der vielbeschäftigte Opa dann überhaupt Zeit, genau dann vor Ort zu sein? Gar nicht so einfach.
Mittwoch, der 22. März in der Länderspielpause schien mir ein geeigneter Termin, den ich schon vor Wochen unterstrichen und schwarz-weiß wie Schnee angemalt in den Kalender geschrieben hatte. Und da Trainer Oliver Glasner nach der Pleite bei Union Berlin am vergangenen Sonntag erzürnt „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ angekündigt hatte, war es ja eigentlich fast egal, wann ich im Wald aufschlagen würde.
Elf Uhr schien mir angemessen. Ein Hauch von Frühling umfing mich beim munteren „Anschwitzen“ am Mainufer entlang Richtung Niederrad. Um nicht gleich zu viel Körner zu verbraten, nutzte ich von dort dann den 61er zum Flughafen bis Osttribüne und erreichte wohlgemut das Gelände. Selbiges lag zu meiner Verblüffung allerdings in völligem Dornröschenschlaf, wenn man einmal von ein paar Greenkeepern absieht, die das Trainingsgelände vor dem Stadion mähten. Eine Schülergruppe im Museum, einige einzelne Versprengte im Fanshop, wo ich mir mit 20 % Geburtstagsrabatt („Danke, liebe Eintracht!“) eine neue Geldbörse kaufte, das war es dann schon.
Als weiteren Kiebitz-Kollegen traf ich nur noch einen sehr netten und prächtig tätowierten Edelfan aus Fulda(!), der mit einem imposanten Fotoband mit Bildern vieler Spieler und ihm selbst angereist war, den er von möglichst ebenso vielen Spielern signieren lassen wollte. Die Frage war nur: Wann? Wie neulich bereits berichtet, platziert man sich als Fan zur Kontaktaufnahme mit Spielern am besten dort, wo sie mit den Rädern vom Campus kommend, zum Training einbiegen. Genau da plauderten wir dann ein bisschen und ich begann zu sinnieren, was die Spieler derzeit wohl so machen. Klar war, dass Donnerstag ein Testspiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegen Greuther Fürth stattfindet und danach erst mal drei Tage trainingsfrei ist.
Von einem mehr oder weniger gelangweilt umherschlendernden Security-Mitarbeiter erfuhren wir dann irgendwann, dass heute erst so gegen 15.00 Uhr mit der Mannschaft zu rechnen ist. Ich schob daher nach vorläufiger Verabschiedung vom ausharrenden Fuldaer Kollegen im Folgenden erst einmal alleine gegen und mit meinem Schrittzähler („Bewegung ist alles!“) eine Laufeinheit ein. Passenderweise ohnehin mit neuen Laufschuhen unterwegs kehrte ich wohlgemut und gestärkt zurück, nachdem ich am DFB-Campus noch eine Kleinigkeit gegessen und getrunken hatte. So ganz ohne Eindrücke wollte ich den Tag denn doch nicht abschließen.
Auch nach Rückkehr das gleiche Bild: Völlige fast schon surreale Ruhe auf dem Gelände der Arena. Niemand zu sehen, der einem irgendwie bekannt vorkommt. Nur mein Freund aus Fulda war auch wieder da.
Und dann kamen sie tatsächlich angeradelt, die daheim gebliebenen Eintracht-Recken nebst „Staff“. Ganz locker Sebastian Rode („Hallo!!“), etwas verkniffen wirkend Tuta und N’Dicka (Einbildung ist alles) und ganz am Ende, als alle anderen schon vorbeigeradelt waren, auch Oliver Glasner, dessen „Hallo“ auch ein wenig angespannter klang. Aber so was liegt womöglich auch eher im Auge und vor allem Ohr des Betrachters.
Die dann folgende Trainingsarbeit ließ mich dann allerdings ein wenig ratlos zurück. Drei Grüppchen, die wohl Verteidigung auf engem Raum übten, immer wieder auch mal vom gestikulierenden Trainer unterbrochen, aber so richtig schlau wurde ich daraus nicht. Schmerzliche Erkenntnis: Ich habe halt wohl auch keine Ahnung vom Fußball.
Klar war, dass in einer Gruppe Ndicka, Tuta und Touré eine Dreierkette bildeten. Die Drei spielten dann auch am Donnerstag im Test gegen Greuther Fürth von Beginn an. So weit so gut. Die Angriffszüge über links Max, rechts Chandler sollten dann (vielleicht) eher über gute Verteidigung in der Box (nur nicht zu früh rausrücken!!) geübt werden, aber was weiß denn ich?
Zwischenzeitlich war auch genügend Zeit, auf dem Handy die im gefühlten Sekundentakt eintrudelnden Eintracht-News zu sichten. Daher hatte ich auch bereits zur Kenntnis genommen, dass etwa der junge Smolcic mit der kroatischen U21-Nationalmannschaft unterwegs war und auch Makoto Hasebe nicht dabei war. Kein Wunder, denn er war zur eigenen Vertragsverlängerung extra mit Markus Krösche nach Japan geflogen. Dass Oliver Glasner alle seine Defensiven um sich herum versammeln konnte, wie in seinem „Wutausbruch“ nach dem Union-Spiel angedeutet („Sind ja alle da“), stimmte also nicht so ganz.
Im Nachhinein fragte ich mich dann unwillkürlich, warum im Training jetzt eigentlich nicht jede Menge hoher Bälle in den Strafraum geschlagen wurden, die man dann zu verteidigen suchte. Aber wer soll eigentlich bei der Eintracht die Spielweise von Union oder unseres nächsten Gegners Bochum simulieren? Irgendwie ist das „Rumflippern“ von Bällen, das man im Alltagsgeschäft gegen die robusten „Kleinen“ so relativ häufig in den Spielen sieht, im Training soweit ich das bisher sah nie zu besichtigen. Eigentlich ist da immer nur „One-Touch“ auf engstem Raum.
Der Kicker wird am Donnerstag in seiner aktuellen Analyse diesbezüglich schreiben, dass sich an den Defensivproblemen unserer Kicker angesichts des derzeitigen Kaders sowieso gar nix ändern könne und es vielmehr darauf ankomme, die Offensive wieder in Schwung zu bringen, die ja auch in der Vorrunde den Unterschied gemacht habe. Da sind aber die Besten auf Reisen und kommen erst nächste Woche wieder.
Oliver Glasner wird am selben Abend bei Radio FFH jedenfalls von Videoanalysen sprechen, die man den Spielern zum Abstellen von Fehlern gezeigt habe. Das auch als Fingerzeig, wo denn die Spieler am Vormittag denn gewesen sind und was sie so gemacht haben. Dieses Interview, das offenbar in der „Arena“ aufgenommen wurde, schaue ich mir am nächsten Tag in voller Länge an. Glasner wirkt da wieder vollständig bei sich, ruhig und reflektiert. Spontane Abwanderungsgedanken kann ich zu meiner Beruhigung nicht herauslesen. Er plane schon die nächste Saison.
Der Trainer gibt Mittwoch nach dem Training also noch ein vergleichsweise entspanntes Interview. Bei „Sky“ am nächsten Tag nach dem 1:1 gegen Greuther Fürth klingt es schon wieder ein wenig genervter mit seinem Hinweis auf die noch ausstehende Laufzeit seines Vertrages und die dauernden Fragen nach einem möglichen Wechsel.
Die scheinbar behagliche Frühlingsruhe, die ich im Stadtwald an diesem Mittwoch erlebe, hat also etwas merkwürdig Unwirkliches. Zumal sich an genau an diesem besagten Mittwoch auch die Eintracht-Gremien in Sachen Zukunft von Axel Hellmann und auch Philp Holzer treffen. Laut FAZ vom heutigen Freitag soll am frühen Mittwochabend in einer etwa einstündigen Versammlung des Aufsichtsrats Holzer das Vertrauen ausgesprochen worden sein. Dass dies nicht öffentlich gemacht wurde, darüber könne man nur Vermutungen anstellen.
Und ebenfalls am Mittwochabend fand dann laut FAZ auch eine gemeinsame Sitzung des Vereins und Hauptaktionärs statt. „Dem Vernehmen nach ist die Tendenz in der Diskussion eher pro Hellmann gewesen.“
Alles im Fluss, alles in Bewegung, aber die Unruhe bleibt und ist mit Händen zu greifen. Die Nachricht über die Einstellung der Ermittlungen gegen Eintracht-Präsident Fischer wegen eines möglichen Erwerbs und Besitzes von Kokain am Donnerstag geht da fast schon unter. Zumal mit dem für die Öffentlichkeit völlig überraschenden Trainerwechsel in München womöglich auch das Thema „Glasner und Tottenham“ wieder befeuert wird.
Oliver Glasner wird laut FAZ nun erst einmal zu seiner Familie nach Österreich fahren, um dort „etwas abzuschalten“. Zu den derzeitigen Spannungen auf der Führungsebene, die ihm natürlich nicht verborgen geblieben seien, wird er wie folgt zitiert: „Ja klar, ich bin ja nicht im Dornröschenschlaf. Offenbar gehört das zu Eintracht Frankfurt oder zu Traditionsvereinen dazu. Damit müssen wir(!) leben, aber ich sehne mich nicht danach.“ Einem vorläufigen Schlusswort, dem kaum etwas hinzuzufügen ist.
Am Ende kehre ich am Mittwoch dann nach einem langen Eintracht-Ausflug vergleichsweise überstürzt nach Sachsenhausen zurück, da jetzt doch andere Pflichten rufen. So komme ich gar nicht mehr dazu, meinem neuen Fuldaer-Fankollegen beim hoffentlich erfolgreichen Signieren seines Fotobandes durch möglichst viele der daheimgebliebenen Spieler über die Schulter zu schauen. Die schönen fröhlichen Bilder, die er mir von sich und dem Team vor allem rund um den Triumph von Sevilla gezeigt hat, werden jedenfalls bleiben und die aktuellen Unruhen und den Preis des Erfolges, den wir derzeit ein wenig zahlen, auf jeden Fall überdauern.
Die Ruhe im Stadtwald an diesem Mittwoch hatte dennoch etwas merkwürdig Unwirkliches. Egal. Wenn uns der Himmel nicht auf den Kopf fällt, ist ja vielleicht trotzdem auch noch in dieser Saison das ein oder andere möglich. Denn bei unserer Eintracht weiß man ja nie …
Wieder ein sehr schöner Beitrag, lieber Tom! Vielen Dank.
Weiter so!