Am für die Eintracht freiwillig/unfreiwillig spielfreien Wochenende scheint der Wahnsinn im Fußball eine neue Stufe zu erreichen. Es wird allen Ernstes fast ein Spiel abgebrochen, weil ein einzelner Vereinsfunktionär (äh, hat Herr Hopp eigentlich eine Funktion bei der TSG?) heftig beleidigt wird. Und das nicht zum ersten Mal. Also das er beleidigt wird.
Eigentlich ist dieser Protest, der gestern in Hoffenheim und anderswo zu beobachten war, eine Reaktion auf das Urteil des DFB, dass die Anhänger des BVB drei Jahre nicht nach Hoffenheim reisen dürfen. Reiseverbote? Also wie in Italien. Nur, dass diese dort dereinst nach heftigen Gewaltexzessen verhängt wurden. Hier reden wir über Beleidigungen gegen eine Person.
Einer Person, die Ihren Verein von einem kleinen Dorfklub hin zu den Stränden der Champions-League gepampert hat. Und seit Jahren in der Kritik steht, weil damit diverse Mechanismen des Fußballs unter Zuhilfenahme pekuniärer Mittel außer Kraft gesetzt wurden. Und diese Person hat sich – dass muss Herrn Hopp übrigens auch selber klar sein – in die Öffentlichkeit begeben, und dann muss er auch mit Kritik leben.
Aber natürlich muss die Kritik auch erträglich sein, und – da bin ich bei den Kritikern der Aktionen in den Kurven – dazu gehören weder Zielscheiben noch die (vermutete) Profession der Hoppschen Mutter. Und da greifen auch Argumente zu kurz, die den Fußball als Ort derber Kommunikation sehen, oder wie die Südkurve München behaupten, die Kritik würde nicht gehört, wenn sie nicht überspitzt würde.
Nein. In meinen Augen muss Kritik so sein, dass man darüber diskutieren kann und sie anregt, Argumente auszutauschen. Und nicht, indem ein großer Prozentsatz der Fußballfans alleine durch Wort- oder Bildwahl verschreckt wird. Denn wer auf der einen Seite beispielsweise der AfD vorwirft, Menschen verachtend zu argumentieren, sollte doch nicht andererseits die selben Mechanismen bedienen, wenn es ihm, ihr oder ihnen in den Kram passt.
Und das ist die Quintessenz, die ich aus den eben gemachten Erwägungen für die Eintracht und auch für unser Heimspiel am Mittwoch sehe. Protest gegen die Hopps, Mateschitz’ und Co. gern, jederzeit, an jedem Ort. Aber auf die Art kommt es an. Man muss die Gegner intelligent stellen und nicht tumb beleidigen.
Als Paradebeispiel dient mir hier der Protest gegen das erste Montagsspiel der Eintracht. Tennisbälle. Zu Beginn von Halbzeit zwei auf den Rasen geworfen führten sie damals (die Älteren werden sich erinnern) zu einer längeren Verzögerung. Stillschweigend unterstützt von der Eintracht, die natürlich vollkommen zufällig eine Armada von Laubbläsern bereit gestellt hatte.
Ich denke, es ist klar, worum es mir geht, oder? Wenn gegen solche Entwicklungen wie Hoppenheim, Leipzig oder was auch immer protestiert werden soll, lasst uns intelligent vorgehen und es nicht zu einem Wettstreit nach dem Motto wer kann gröber ausarten.
Und vielleicht schafft es unsere Kurve am Mittwoch ja mal wieder, mit intelligentem Protest die intelligenten Menschen auf ihre Seite zu ziehen und auf ein Problem aufmerksam zu machen ohne zu große Angriffsfläche zu geben. Denn das dürfte auch die Sicherung von Stehplätzen erleichtern, die ja der DFB-Präsident gestern im Sportstudio nicht ohne Grund kritisch hinterfragt hat.
Ich habe übrigens alle anderen Punkte, sei es mangelndes Vorgehen gegen Rassismus, Sexismus und ähnliches ausgelassen, da ich finde, dass diese Punkte hier und hier sehr gut erklärt wurden. Daher Leseempfehlung.
Gefällt
Plakatvorschlag
“Rummenigge ist ein Uhrensohn!”
mit Bitte um dfb-juristische Bewertung
😉
Ulli, vollste Zustimmung.
Besonders nett fand ich ja die Liveberichterstattung von Sky. Das Hoppenheim/Bayern-Schmierentheater als Quasi-“Aufstand der wahren Fans” darzustellen, die sich couragiert “Idioten” entgegenstellen, war schon bizarr. Beleidigungen scheint man nur mit Beleidigungen kontern zu können. Nunja, wenn man natürlich den Auslöser dieser Aktion(en) tunlichst verschweigt, nämlich de facto die Verhängung von Kollektivstrafen (die in Zeiten des tausendjährigen Fliegenschiss übrigens Sippenhaft genannt wurden) hat man sich den Beifall der “normalen Fans” wohlfeil gesichert.
Mal kurz zur Einordnung: vor wenigen Monaten hatte das Landgericht Berlin in einem Urteil festgestellt, dass in der Öffentlichkeit stehende Personen sich mal nicht so anstellen sollen (das ist jetzt meine Kurzfassung; wer’s detailliert nachlesen will:
https://www.morgenpost.de/berlin/article227131419/Warum-das-Berliner-Landgericht-diese-zehn-Beschimpfungen-gegen-Renate-Kuenast-zulaessig-findet.html?_gl=1*1afqhah*_ga*YW1wLWRvX25IMHBuRE8tVUVFT2RPYjJyeUFabVVoTHFLc3NQR0dsclZfSlFFUnRmeEZ1NVh4UUlRSDBHZlRjTHRDSTk. )
Gemessen daran ist selbst die “Zielscheibe” noch harmlos. Ist natürlich (zumindest aus DFB/DFL-Sicht) blöd, dass das Premium-Produkt und einer der bekanntesten Protagonisten der Unterwerfung eines (ehemaligen) Volkssports unter rücksichtslose Kommerzialisierung davon betroffen sind. Das geht ja mal gar nicht!
Da heucheln wir dann doch lieber etwas “gesellschaftliche Verantwortung” gegen, sagen wir mal, Rassismus (schlecht für die internationale Vermarktung) oder Homophobie (kann ja nicht schaden, so lange wir keinen aktiven Nationalspieler unterstützen müssen)…
Fazit: “Italien ist so ein schönes Land – wenn’s da nur nicht so viele Italiener hätte” (Gerhard Polt).
Die Beine von Jessica,
Das ist natürlich ganz klar Majestätsbeleidigung. Rübe ab! Mindestens!!
Sehr gut getroffen, ich bin sehr gespannt, ob sich unsere Ultras clever verhalten
Michael,
vielen Dank für diesen sehr lesenswerten Kommentar.