Kommunikationsdesaster. Mit einem Lichtblick

von UliStein

Mit über sechzig Stunden Abstand zu den Ereignissen des Samstagabends im Deutsche Bank Park kristallisiert sich bei mir immer mehr ein Gedanke raus. All das, was passiert ist, all die verletzten Polizisten, Ordner und Besucher, ist eigentlich Resultat einer völlig verunglückten Kommunikation im Vorfeld und all die dürfen sich jetzt durch die Kommunikation der meisten Beteiligten im Nachhinein noch einmal in ihrer Intelligenz beleidigt fühlen.

Zunächst einmal muss ich aber der guten Ordnung halber festhalten, dass jedwede Gewalt, sei es von Fans gegen Ordner oder die Polizei, sei es der von der Polizei massiv übertriebene Einsatz von Pfefferspray, Gas und was auch immer, wird von mir auf das Schärfste verurteilt. Dabei ist mir vollkommen egal, was Ursache war und was Wirkung. Unsere Fans haben unsere Ordner nicht zu schlagen, die sich Woche für Woche die Beine in den Bauch stehen, um uns den Besuch der Spiele der glorreichen SGE zu ermöglichen und diesen sicher zu gestalten. Die Polizei, die sich, obwohl das Spiel im Vorfeld nicht als Risikospiel galt, in sehr großer Zahl um und im Stadion aufhielt, hat auch kein Recht, da reinzugehen wie bei einer Großdemo, zumal die Anzahl der Unbeteiligten bei einem Fußballspiel vermutlich deutlich größer ist. Und Eintracht Frankfurt als Veranstalter hätte mit einer klaren und deutlichen Kommunikation im Vorfeld viel, wenn nicht gar alles verhindern können.

Um in der chronologischen Reihenfolge zu bleiben, die schließlich in den Ereignissen am letzten Spieltag kulminierte, beginne ich mit einem seit Jahren bekannten Problem, der Überbelegung der Stehblöcke im Unterrang der Nordwestkurve. Jeder, der wie ich von etwas weiter oben, egal aus welchem Blickwinkel, auf die Blöcke schaut, sah bisher bei ziemlich jedem Heimspiel das gleiche Schauspiel. Die Blöcke füllten sich und füllten sich, die Zuschauer standen auf den Gängen und bis in den Eingangsbereich hinein.

Ursache dafür ist etwas, was ich mal salopp als Blocktourismus bezeichnen würde. Fans, die Karten für andere Abschnitte des Stadions haben, lassen sich, mit Unterstützung der für die Blöcke im Unterrang berechtigten, in die Blöcke einschmuggeln. Sei es mit gesammelten und weitergegebenen Karten, sei es wie auch immer. Das führte zu dem Phänomen der überfüllten Blöcke und damit zu einem Zustand, der aus Sicherheitsgründen nicht geht. So einfach ist das.

Die Eintracht hat in der Vergangenheit verschiedene Maßnahmen in die Wege geleitet, um diesem Phänomen Einhalt zu gebieten. Da gab es Bändchen, die sich die Besucher der Blöcke abholen mussten, die aber dann eben auch weiter gegeben wurden, da hilfreiche Ordner sie locker genug ließen. Da gab es intensivere Kontrollen und anderes, aber geholfen hat nichts. Daraufhin hat man sich dann wohl entschlossen, beim Spiel gegen den VfB mal eine 100% Kontrolle umzusetzen. So weit ist das alles nachvollziehbar und aus meiner Sicht auch verständlich.

Der Hauptvorwurf, den ich als Außenstehender der Eintracht als Veranstalter jetzt allerdings mache, ist, dass man die neue Situation wohl nicht mit ausreichend Vorlauf kommuniziert hat. Es wäre doch sicher sehr sinnvoll gewesen, in den Informationen zum Heimspiel oder vielleicht gar in einer separaten Presseerklärung auf die neuen Maßnahmen und ihre Hintergründe zu verweisen. Eigentlich nicht schwer, oder? Das hätte aus meiner Sicht die Chance geboten, dass sich alle Beteiligten auf diese Situation hätten einstellen können und zu weniger Aggressionen seitens der Fans geführt.

Dass, als die Auseinandersetzungen begannen, die Ordner die Unterstützung der Polizei benötigten, war leider folgerichtig. Über die Frage, warum die Ordnungshüter in ungewohnt großer Zahl vor Ort waren und dann mit einer ungewöhnlichen Härte agierten, darf man spekulieren. Ich nehme an, die Eintracht hat in Vorgesprächen mitgeteilt, dass man mit Schwierigkeiten rechnet, und der der neue Einsatzleiter der hessischen Polizei hat die Gelegenheit genutzt, Härte zu zeigen. Dass der Einsatz vor, während und nach dem Spiel vollkommen aus dem Ruder gelaufen zu sein scheint, das steht hier dann auf einem anderen Blatt.

Bilanz: laut offiziellen Angaben 57 verletzte Polizisten, 59 verletzte Ordner und vermutlich über hundert verletzte und traumatisierte Zuschauer. Grausig.

Schlimm auch die Kommunikation danach.

Die Ultras und der Fanclub-Verband haben noch am Samstagabend eine Erklärung abgegeben, dass die Schuld an der gesamten Eskalation der Polizei in die Schuhe schiebt, geflissentlich ignorierend, dass die erste Aggression eindeutig von den Fans ausging, die sich an der Kontrolle gewaltsam vorbeischieben wollten.

Die Polizei gab gestern eine durchaus originelle Pressekonferenz, in der tatsächlich behauptet wurde, es seien ihnen keine verletzten Fans bekannt, nur die oben genannten Polizisten und Ordner. Entschuldigung, diese Behauptung ist vollkommen lächerlich, steht aber leider für die kommunikative Ignoranz, die die Polizei seit Jahren auszeichnet. Und die auch jede Diskussion so schwer macht. Dass die Polizei bereits während des Spiels und direkt danach diverse Behauptungen aufstellte, die sich im Nachhinein als vollkommen haltlos herausstellten, sei hier nur am Rande erwähnt. Stichwort Auseinandersetzung zwischen Frankfurter und Stuttgarter Fans. Oder auch, dass das Spiel ein Risikospiel gewesen sei, was vor dem Spiel nicht kommuniziert wurde und in der Pressekonferenz – nicht minder originell – damit begründet wurde, dass für die Polizei alle Spiele Risikospiele seien.

Und von der Eintracht hörte man zunächst außer einem Statement, man werde jeden Stein umdrehen, eigentlich nichts. Und dann kam das durchaus überzeugende Statement vom gestrigen Abend. Nachzulesen hier.

Kernaussage für mich, neben einer angemessenen Analyse des Geschehens, war folgendes Statement:

„Wir werden die Mitwirkung der Beteiligten hierzu sehr genau im Blick haben. Jeder Einzelne trägt eine Mitverantwortung dafür, dass wir einen sicheren, friedlichen und vor allem erfolgreichen Fußballabend erleben.“

Philipp Reschke, Vorstand Eintracht Frankfurt Fußball AG

Das klingt gut und ich hoffe für die Eintracht und alle Fußballfans, dass den Worten Taten folgen.

Wie es jetzt weitergeht? In einer normalen Situation würde man versuchen, die Konfliktparteien an einen Tisch zu holen und zu reden. Das scheint mir allerdings nach den Erfahrungen der letzten Jahre und Monate derzeit aussichtslos. Ich würde mich natürlich gern täuschen.

Was bleibt? Leute, ich habe Bammel vor Donnerstag, zumal die Polizei in ihrer Pressekonferenz sehr deutlich machte, an ihrem Konzept nichts ändern zu wollen.

Und eins ist leider sowieso klar – diejenigen, die am meisten unter diesen Ereignissen leiden, sind die so genannten normalen Fans, die einfach nur Fußball sehen und die Eintracht anfeuern wollen.

Disclaimer: Jedwede Spekulation, inwieweit das Geschehen auf den Rängen die Ereignisse auf dem Platz beeinflusst hat, verkneife ich mit.

Titelbild: Neil Baynes/Getty Images

7 Gedanken zu „Kommunikationsdesaster. Mit einem Lichtblick“

  1. Woher kommt ihr zu dem Eindruck der Einsatz der Polizei sei scheinbar auch nach dem Spiel “vollkommen aus dem Ruder gelaufen”?

  2. Uli, ich hatte ja gestern schon spekuliert, dass die entsprechenden Maßnahmen sehr wohl kommuniziert wurden, halt intern an die, die es angeht und eben nicht bei einer Pressekonferenz. Leuten, die nicht illegal irgendwo rein wollen, kann das ja auch schnurz sein. Und dann haben die Angesprochenen sicher genauso wie immer darauf reagiert, nämlich „Wollen wir ja mal sehen, wer den Längeren hat. Ist unser Machtbereich.“ Dann Ordner versucht wegzuschieben wie immer, nur haben die sich das, wie angekündigt, diesmal nicht gefallen lassen. Und für genau diesen Fall war die erhöhte Polizeipräsenz da. Kommuniziert wurde das sicher an alle Beteiligten. Vorher.

  3. Schnix:
    Kommuniziert wurde das sicher an alle Beteiligten. Vorher.

    Das mag so sein, Schnix. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass man sich im Nachhinein viel leichter getan hätte, wenn man es vorher öffentlich publik gemacht hätte, sozusagen mit dem großen Verteiler.

  4. Uli, der „große Verteiler“ könnte rechtlich problematisch sein. Damit würde man ja öffentlich eingestehen, bisher seiner Verantwortung als Veranstalter nicht nachgekommen zu sein und eine sicherheitstechnisch gefährliche Überfüllung der Kurve stillschweigend geduldet zu haben.

  5. Das hatte ich dann im Nachhinein auch gehört, das mit dem “endlich durchgreifen” gegen die Überfüllung des Blocks. ABER….ist doch irgendwie klar, dass das “so einfach” nicht geht nach jahrzehntelanger Toleranz. Und die Eskalation ist dem Polizeieinsatz geschuldet, ganz klar. Ich persönlich habe Angst vor weiteren Eskalationen, den Phantasien des Herrn Rainer Wendt und der Zustimmung so mancher (Möchtegern-)Ordnungspolitiker.

  6. Mit Verlaub, haben Sie die PK der Polizei gesehen.

    Dort wurde mitgeteilt, wann und auch warum es als Risikospiel eingeordnet wurde. Ich meine, es war der 4.11.

    Warum muss durch die Eintracht im Vorfeld kommuniziert werden, dass man die Kontrollen verstärkt. Das wurde bereits öfter kundgetan und gebracht hat es nichts. Jedes Wochenende gibt es eine Vielzahl an Situationen, wo sich Leute gewaltsam in der Masse reindrücken oder Ordner bedrohen. Warum muss die Eintracht also vorab ankündigen, dass sie jemanden zur Qualitätskontrolle entsendet ? Damit sich alle drauf vorbereiten und die Problemgruppen die anderen Eingänge nutzen?

    In der PK hat die Polizei auch nicht behauptet, dass ihnen keine verletzten Fans bekannt sind. Im Gegenteil, es wurde bestätigt, dass es verletzte Unbeteiligte geben soll, allerdings hat sich von diesen noch niemand bei der Polizei gemeldet. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Es steht also jedem Fan frei, sich zu melden und in die Statistik mit reinzuzählen. Auch das gehört dazu und dazu wurde explizit aufgefordert.

    Und zu guter letzt, die Polizei wurde gerufen nach zwei erfolgten Notrufen. Auch durch die Eintracht bestätigt, erschienen dann 15 unbehelmte Polizisten, die unmittelbar angegriffen und beworfen wurden. Wie sieht da bitte Ihre verbesserte Vorgehensweise aus ? Sich minutenlang in die Wurfgeschosse stellen und alles erdulden?

    Es ist tragisch und eine Katastrophe, dass soviele Unbeteiligte verletzt wurden. Die Ursache wurde jedoch, mal wieder, durch eine bestimmte Frankfurter Fangruppe gesetzt. Wenn die Eintracht mit ihrem Ordnungsdienst noch Herr der Lage wäre, hätte es diese Situationen nicht gegeben. Nur leider ist es die Eintracht nicht mehr.

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