Quo vadis #SGE? Kadergedanken Teil 2

von Schnix

Das Mittelfeld.

6 Kristijan Jakic

Wenn er nicht die Rübe hingehalten hätte in jener 118. Minute in Sevilla, wäre die vielgerühmte Monsterparade von Trapp wohl umsonst gewesen, der Nachschuss wäre wahrscheinlich im Winkel eingeschlagen, da wäre Trapp nicht mehr drangekommen. Aber Kristijan hält ja sowieso überall alles rein, der ist vielleicht der furchtloseste Kämpfer bei uns im Kader. Ausgestattet mit unbändigem Einsatzwillen ist er ein fulminanter Balleroberer im defensiven Mittelfeld. Ihn allein auf das Prädikat „Kampfsau“ zu reduzieren, würde ihm aber nicht gerecht, er kann mehr. Nicht alle seiner Pässe kommen an, aber er spielt mitunter einen guten Ball, wenn er ihn erobert hat. Der sieht schon Räume, wenn sie sich bieten, und geht dann entweder selbst oder versucht den vertikalen Pass. Klappt nicht immer, aber immer öfter. Und gefährliche Abschlüsse hat er auch immer wieder, wenn auch manchmal die Besucher des Oberrangs sich über einen Ball freuen. Noch ist er mehr der frühe Rode, der den Ball dann besser zum Pirmin abgegeben hat. Aber der wird noch besser, ganz sicher.

Außerdem ist er einer der (Achtung Modewort!) polyvalenten Spieler, die es bei uns zuhauf, sicher nicht ganz unabsichtlich, aber dazu später mehr, im Kader gibt. Kein Rechtsverteidiger mehr gesund? Egal, macht Jakic. Alle zentralen Innenverteidiger kaputt? Egal, macht Jakic. Als gelernter Sechster hat Kristijan die notwendige Übersicht auch für die zentrale Abwehrposition. Defensive Stabilität als Verteidiger sowieso und ganz langsam ist er auch nicht. Auch ist seine Technik viel besser, als es auf den ersten Eindruck erscheint, manchmal findet er halt den richtigen Moment zum Abspiel nicht, verheddert sich dann etwas und bleibt am dritten oder vierten Gegenspieler hängen. Aber der kann das. Er ist der absolute Mentalitätsspieler, auf den du dich immer verlassen kannst. Er läuft jedes Loch zu, bügelt jeden noch so laschen Patzer eines Mitspielers aus, und sei es in der 118. Minute. Und auch noch später, wenn es sein muss. Er rennt jeden Meter für jeden Mitspieler, pflaumt den dann aber auch mal an, wenn nötig. Ein klasse Teamplayer, den jeder gern in seiner Mannschaft hat. Beim Gegner kann ich mir vorstellen, wenn es heißt, am Wochenende gegen die Eintracht und du bekommst es mit Jakic zu tun, dass da des Öfteren ein „Och nööööööö!“ zu hören ist. Jakic ist ein harter Zweikämpfer, schont sich und Gegner nicht, anders als man so aus dem Bauch raus erstmal denken würde aber ohne dabei allzu oft die Grenzen des Erlaubten zu überschreiten. In dieser Saison hat er erst eine gelbe Karte. Er ist sicher einer der Spieler, warum Gegner nicht gerne gegen die Eintracht spielen. Gut so, Kristijan!

8 Djibril Sow

Viele der geneigten Schauer haben ihn ja lange als brotlosen Traber eingeschätzt. Ich nicht. Der Wert solcher Spieler ermisst sich eben oft in ihrer spektakulären Unauffälligkeit. Der ist nämlich oft auch verantwortlich dafür, dass er den Ball gar nicht bekommt. Hä?!? Ja, hört sich komisch an, ist aber so. Der läuft so geschickt Räume zu, dass der Gegner oft geplante Zuspiele in eben diese Räume abbricht und so natürlich Sow dann auch gar nicht klären muss. Er hat nämlich vorher schon geklärt, indem er dem Gegner Anspielmöglichkeiten zugelaufen hat. Dann muss der Gegner sich eine neue Anspielstation suchen, das kostet meistens die entscheidende Zeit und ermöglicht den eigenen Mitspielern in eine stabile Formation zu kommen. Unzählige Angriffe verhindert er, ohne dabei Ballkontakt zu haben. Er ist immer da, wo es brennt oder brennen könnte. Bevor Götze kam, war er immer der Spieler, der die meisten Kilometer abgespult hat. Und wenn dann doch mal ein Zuspiel in seine Nähe kommt, erobert er sehr oft den Ball. Das sieht bei ihm häufig ganz unspektakulär aus, einfach weil er eine extrem gute Zweikampfführung hat, er hat eine gute Distanz zum Gegner und ein großartiges Timing für den Moment des Zugriffs. Er schafft es auch sehr schnell, den gewonnenen Ball mit seiner sehr guten Technik zu kontrollieren, eine rustikale Grätsche sieht man selten bei ihm, situativ packt er die dann auch mal aus, aber meistens hat er das durch seine hervorragende Antizipation gar nicht nötig. Meistens passiert das, wenn er den Fehler eines Mitspielers korrigieren muss und dann entsprechend wenig Zeit ist. Danach macht er das, was viele Zuschauer wieder nervt, er spielt den Ball sofort unspektakulär meist über kurze Distanz quer oder gar zurück zum Mitspieler. Das sieht manchmal blöd aus und vielleicht wäre es manchmal auch möglich den Ball direkt vertikal zu spielen. Es ist aber zwingend nötig, um das Risiko aus unserem Spiel zu nehmen. Wenn er zu oft versuchen würde, direkt wieder umzuschalten, und dann den Ball gleich wieder verlöre, würde uns das gehörig um die Ohren fliegen. Die eigenen Mitspieler orientieren sich direkt nach der Balleroberung wieder Richtung gegnerisches Tor, die Gegner sind aber noch zahlreich in den gefährlichen Räumen präsent und schnell wieder in der Aktion nach vorne. Das wird dann schnell gefährlich. Auf Sows Position geht es eben auch darum, Gegenpressing möglichst im Keim zu ersticken und den Ball zu sichern.

Dass er den offensiven Part seiner Position ebenfalls beherrscht, hat er meiner Meinung nach schon oft bewiesen. Einige Zauberpässe hat er gespielt, viele vorletzte Pässe, und Tore schießt er mittlerweile auch. Aus der Distanz wie z.B. gegen Leverkusen in den Winkel, im Dribbling in den Strafraum wie zuletzt gegen Hoffenheim und bereitet so wichtige vor wie Daichis Abstauber zum 2:1 in London. In manchen Spielen spielt er mehr nach vorne, in anderen weniger. Ich bin sehr sicher, dass er dabei genauestens die Vorgaben des Trainers umsetzt, mal eben mit etwas mehr Risiko und mal eben mit weniger zu spielen, und in manchen Spielen möglichst ganz ohne Risiko, weil dann die taktische Formation und Aufgabenverteilung so ist, dass er hauptsächlich für die Sicherung zuständig ist und sich ganz darauf konzentrieren soll. Djibbi entwickelt sich zudem stetig weiter, der ist lange noch nicht am Ende seiner Möglichkeiten und ist zudem ein eleganter Spieler, dem man gerne zusieht. Manche bemängeln, dass er nicht der Leader ist, der in jeder Situation vorangeht, sondern nur gut ist, wenn es sowieso läuft und ansonsten eben mit untergeht. Das könnte ein kleines Manko bei seiner Beurteilung sein, allerdings finde ich, dass er auch da Fortschritte macht. Er ist sicher kein Lautsprecher und wahrscheinlich auch nicht der Typ, der im Alleingang ein Spiel herumreißt, aber sonst wäre er auch schon viel teurer. Sow ist aber immer anspielbar, und sichert dann den Ball, meistens halt mit kleinen Pässen a la Toni Kroos, der ja auch von vielen nicht so richtig wertgeschätzt wird. Nicht umsonst sind mittlerweile auch namhafte Vereine auf ihn aufmerksam geworden. Sow ist aber so klar im Kopf, dass er genau weiß, wenn er denn wechselt, dass er genau den richtigen Moment dafür erwischen muss und den genau für ihn passenden Verein. Er braucht nicht jedem neureichen Verein von den EU-Flüchtlingen hinterher zu hecheln. Vielleicht verlängert er auch hier nochmal seinen Vertrag, weil es einfach passt. Er weiß, was er hier an uns hat, und ich zumindest weiß, was wir an ihm haben.

15 Daichi Kamada

Dass Daichi alle, aber auch wirklich alle Anlagen hat, um ein ganz großer zu werden, hat man schon ziemlich früh nach seiner Ankunft vor nun auch schon 5 1/2 Jahren bei uns sehen können. Dass er aber auch noch viel, sehr viel dafür tun muss, dieses mit dem ganz großen Füllhorn über ihm ausgeschüttete Talent auch abrufen und zur Geltung bringen zu können, auch. Im ersten Jahr kam er auf 3 Einsätze in der Liga und einen im Pokal. Danach kam das eine Jahr Leihe in Belgien, wo er sich auf für ihn genau passendem Niveau super entwickelt hat. In der Saison 19/20 waren es dann schon 28 Einsätze in der Liga und 16 als Euro-Daichi. 20/21 hat er dann schon bis auf zwei Spiele alle bestritten in der Liga mit phänomenalen 5 Toren und 13 Vorlagen, europäisch haben wir da mal kurz Luft geholt und ordentlich Anlauf genommen. 21/22 hat er wieder bis auf zwei Spiele alle gespielt, im Eurobbabogaaal alle und im DFB-Pokal auch alle (ähem…). In der Vorsaison unter Glasner hat er sich schon taktisch und kämpferisch sehr gut weiterentwickelt, worunter seine Scorer-Quote etwas gelitten hat („nur“ 4/3 in der Liga, als Euro-Daichi allerdings 5/1), was völlig normal ist, wenn man viele Dinge in seiner gewohnten Spielweise umstellt, in der laufenden Saison ist er nahezu explodiert. Schon 11 Scorer-Punkte (7! /4), wenn man das hochrechnet, angenommen er macht so weiter, käme er auf 27! In 32 Spielen, zweimal hat er schon gefehlt. Das wäre phänomenal, zumal er ja nicht der Einzige ist, der so punktet.

Kamada ist ein Spieler bei dem mittlerweile wohl jeder Zuschauer, egal wie fachkundig, ins Schwärmen gerät, und das zu Recht. Der hat sich in der letzten Zeit noch mal auf ein anderes Level katapultiert, der EuroLeague-Sieg hat ihm enorm Anerkennung und eigenes Zutrauen in seine Fähigkeiten gebracht. Und mit Oliver Glasner hat er genau den richtigen Trainer, der ihm Vertrauen schenkt, seine vorhandenen Talente fördert und ihm neue Dinge beibringt, bei denen er auch sofort merkt, dass sie ihn weiterbringen.

Daichi ist ein äußerst sensibler Spieler, der sich in seiner Umgebung wohl und wertgeschätzt fühlen muss, das ist sehr wichtig für ihn. So wichtig, dass er das, für einen Japaner schon sehr ungewöhnlich, öffentlich in einem Interview einfordert. Wenn er sich allerdings wohlfühlt, und das tut er momentan in dieser Mannschaft, spielt er auf einem unglaublichen Niveau. Kopfballspiel gehört jetzt nicht zu seinen Stärken, aber darüber mault bei Messi auch niemand. Ansonsten kann Daichi nämlich mittlerweile alles. Alles! Unglaubliches Ballgefühl gepaart mit einem großartigen Gefühl für den Raum, in dem er sich bewegt und die Räume, die sich für seine Mitspieler ergeben. Er hat sich athletisch sehr gestärkt, und zwar nicht mit einem allgemeinen Muskelaufbau, sondern man sieht, dass er explizit an der Stärkung der Körpermitte, dem sogenannten Core, gearbeitet hat. War er früher noch eher leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, durch eigene Aktionen oder Attacken des Gegners, ist er da jetzt sehr stabil. Es gelingt ihm, viele Drehungen, Beschleunigungen, Haken, Abstoppen mit einem extrem gefestigten Körperschwerpunkt durchzuführen, ähnlich einem Skirennläufer. Die Arme und Beine bewegen sich daran aufgehängt in alle nur möglichen Richtungen, während seine Körperlängsachse sehr gerade bleibt. Ein Merkmal aller ganz großen Spieler. Dadurch ist er in der Lage, Richtungsänderungen in jedem Moment und in jeder Situation vorzunehmen, woran andere nicht mal im Entferntesten denken können, weil sie vollauf damit beschäftigt sind, ihren Schwung in eine Richtung und dabei auch noch den Ball zu kontrollieren, und den Kopf oben zu haben geht dann schon gar nicht mehr. Daichi macht Drehungen in die Gegenrichtung, wo alle anderen nur noch in die bereits eingeschlagene Richtung rennen können. Er hält kurz inne, und sämtliche Gegenspieler rennen einfach weg, weil sie was anderes erwarten. Bei ihm sieht es manchmal aus, als schwebe er über den Platz, und irgendwie bewegen sich unter seinem Rumpf halt noch ein paar Beine. Er spielt Bälle mit links und rechts, mit Außen- und Innenrist, mit der Sohle und dem Spann, ein grandioser Techniker. Bei Zidane hat mich immer fasziniert, dass der, obwohl drei Gegner an ihm dranhingen und kratzten, bissen, traten, bei der Ballannahme trotzdem, egal wo er vorher hingerannt ist, immer viele Optionen hatte, Ball halten, rechts, links, verzögern, direkt spielen, das volle Programm. Und das in aller Seelenruhe, als würde er die ganzen Pitbulls an ihm dran gar nicht wahrnehmen. Messi auch. Kamada kann das auch, vielleicht noch nicht und vielleicht auch nie ganz so wie diese absoluten Ausnahmespieler, aber es geht in die Richtung.

Zusätzlich zu seinen technischen Fähigkeiten hat er sich nämlich auch taktisch und kämpferisch enorm verbessert. Mittlerweile weiß er, wann er sich wohin zu bewegen hat und wie er am besten mit seinen Mitspielern kombiniert, er macht das nicht mehr rein intuitiv, sondern geplant. Zudem ist er viel torgefährlicher geworden, er ist tatsächlich im Moment unser Top-Torschütze, weil er eben zum richtigen Zeitpunkt auch ganz vorne auftaucht und ruhiger im Abschluss geworden ist. Glasners Experiment, ihn auf der Sechs zu bringen, war auch kein Risiko, weil Daichi jetzt im Einsatzwillen und in der defensiven Zweikampfführung einen gewaltigen Sprung nach vorne getan hat. Bei deutlicher Führung gegen das überfahrene Leverkusen grätscht er nach eigener Ecke dem sonst durchlaufenden Gegner an der Mittellinie den Ball weg. Grandios. Grandiose Szenen gibt es in seinem Spiel zuhauf, man denke nur an seine Torvorbereitung für Silvas Hacke im Spiel gegen Berlin, wo er unwiderstehlich in den Strafraum zieht, einige Herthaner zu Brummkreiseln degradiert und nur dank eines unorthodoxen einbeinigen Zwischenhüpfers in der Schrittfolge überhaupt in der Lage ist, den Ball dann so präzise für Silva abzulegen. Zum Niederknien. Aber er macht eben jetzt nicht nur die ganz spektakulären Dinge, er spielt effektiv, und dabei halt auch den ganz einfachen, aber schnellen Ball zum Mitspieler. Er ist kein Turbosprinter, aber ordentlich fix und sehr handlungsschnell. Zudem einer dieser polyvalenten Spieler, er kann 10, 8, falsche 9, Außen und eben auch 6. Wenn er sich so weiterentwickelt, ist er ein absoluter Weltklasse-Spieler. Dann wird er nicht zu halten sein, und wir müssen ihn dann halt bei Barça bewundern. Die Frage ist, ob er mit seinem sensiblen Gemüt auch in der Lage ist, sich woanders entsprechend durchzusetzen. Der braucht seine Wohlfühloase. Nicht, um sich auszuruhen, sondern um voll aufzublühen, das exotische Pflänzchen. Vielleicht ist ihm das auch klar, und er widersteht den monetären Verlockungen. Aber eigentlich muss er, so schade das für uns ist, jetzt im besten Fußballeralter, zu Barça etc. wechseln, um ein ganz Großer zu werden. Das kann er. Er hat alles. Einer meiner Lieblingsspieler? Definitiv!

17 Sebastian Rode

Die meisten hätten das dem Seppl vor einigen Jahren niemals zugetraut, 2010 zu uns gekommen aus jenem unsäglichen Ort östlich von Oberrad. Damals war er ein furchtloser Ballweggrätscher, der den Ball dann, wenn er ihn hatte, schnell dem Pirmin weitergegeben hat. Ein furchtloser Ballweggrätscher ist er immer noch, furchtloser denn je, als gäbe es kein Morgen, und das trotz seiner fürchterlichen Verletzungshistorie. Schon sehr früh in seiner Karriere hat er mit Knorpelschäden zu kämpfen, eigentlich ist es seitdem immer latent fraglich, ob er seine Karriere fortsetzen kann. Aber das Stehaufmännchen kämpft sich immer wieder nach größeren und kleineren Verletzungen zurück. Und ich weiß aus eigener leidvoller Erfahrung, wie schwierig das ist und wie unglaublich viel Energie das kostet. Allein dafür hat der Seppl meinen allergrößten Respekt.

Aber auch dafür, wie schnell er sich, bei uns schon, von einem reinen Spielzerstörer zu einem Spielgestalter gewandelt hat. Schnell hatten das auch die Bayern erkannt und ihn für viel Geld abgeworben. Natürlich musste er das machen, schon damals hätte es sein letzter Vertrag sein können. Außerdem war es eine sportliche Herausforderung, die er unbedingt annehmen wollte. Und die zu bestehen ihm eigentlich keiner zugetraut hat, bei schier übermächtiger Konkurrenz im Bayern-Kader. Aber er hat sie bestanden. Und wie ich finde mit Bravour. Ich habe damals, extra um ihn zu beobachten, viele Bayern-Spiele gesehen. Er ist auf viel, viel mehr Einsätze gekommen, als ihm damals prognostiziert wurden, und er hat sich technisch, spielerisch und taktisch enorm verbessert. Guardiola hat ihn damals als seinen Lieblingsspieler bezeichnet, und das nehme ich ihm, der ja doch gerne den Superlativ benutzt, absolut ab. Wer mal ein Training von Guardiola beobachtet hat, wie absolut detailversessen der zur Sache geht, immer und immer wieder korrigiert und feinjustiert und seinen Spielern einen enormen Input gibt, und dann sieht, wie gut Seppl das alles adaptiert und umsetzt, kann nachvollziehen, wie sehr Pep seinen Spaß an ihm hatte. Das war sicher der Spieler im Kader des FCBäh, der zu der Zeit den größten Entwicklungssprung getan hat. Trotzdem ist natürlich die Konkurrenz sehr groß, so dass auch der Wechsel zum BVB nachvollziehbar war, wo ihm wohl noch mehr Spielzeit versprochen wurde. Dort hat ihm aber wieder seine Gesundheit einen Strich durch die Rechnung gemacht, und dann ein anderes Konzept.

Trotzdem ist er dann als kompletter Spieler zu uns zurückgekommen, mit unschätzbaren Erfahrungen. Ein komplett anderer Spieler. Jetzt werden seine Einsätze wohldosiert, und er hat einen unglaublichen Wert für die Mannschaft. Ein total bodenständiger Mensch, komplett mit sich im Reinen, Musterprofi und Sympath, ein mitreißendes Vorbild und Aushängeschild des Vereins. Ein sehr ernsthafter und trotzdem immer gutgelaunter Vorangeher. Total authentisch, er freut sich wie ein Kind über eigene Tore und die seiner Kollegen und ist im nächsten Moment wieder total fokussiert. Rode ist ein Spieler, für den das Wort Zweikämpfer erfunden worden wäre, hätte es das nicht schon gegeben. Aber er ist viel mehr, er kann ein Spiel lenken, beschleunigt und beruhigt das Geschehen im genau richtigen Moment, kreiert mit seiner Dynamik neue Spielsituationen und reißt alle seine Mitspieler mit. Wenn man sich exemplarisch ansehen möchte, für was Rode steht, muss man sich diese fabulöse zweite Halbzeit gegen Lissabon ansehen. Seppl hat alles das umgesetzt, was Glasner in seiner Halbzeitansprache gefordert hat. Alle Aktionen mit Überzeugung auszuführen, nicht ein bisschen verteidigen und ein bisschen angreifen, sondern mit voller Konsequenz, Eintracht-Style. Rode hat das in Vollendung umgesetzt. Ich glaube, es war auch Glasner, der hinterher gesagt hat, er habe noch nie erlebt, dass ein einzelner Spieler einen solchen Impact auf ein Spiel hat. Ich auch nicht. Er hat die meisten Zweikämpfe gehabt, fast alle gewonnen, die meisten Ballaktionen und hat einfach alle Mitspieler komplett mitgerissen. Im Moment seiner Einwechslung hatte Lissabon das Spiel verloren, und das ist eine abgezockte, hervorragende Mannschaft, die keine Fehler verzeiht, siehe Hinspiel. Eine Ehrung als Player of the Match gab es auch noch nie für einen Spieler, der nur eine Halbzeit gespielt hat. Aber was für eine Halbzeit! Natürlich kann auch ein Kapitän Rode nicht jedes Mal so eine Leistung aufs Feld werfen, das war sicher eines seiner besten, wenn nicht das beste Spiel seiner Karriere. Aber Seppl kann dieser Mannschaft noch viel Input geben, auf und neben dem Feld. Ich hoffe, sein geschundener Körper und sein Spaß am Kicken lassen es zu, dass er noch eine Weile für uns spielt.

26 Eric Junior Dina Ebimbe

Auch wieder ein Spieler, für den man unserer Abteilung Einkauf, auch wenn er momentan nur geliehen (mit Kaufoption) ist, nicht genug auf die Schulter klopfen kann. Ein Vieh! Und das meine ich als absolutes Kompliment. Ich habe selten einen in diesem Alter so robusten Spieler gesehen. Auch er hat diese extrem stabile Körpermitte, und ist dazu drumherum noch ziemlich muskulös. Als Gegenspieler denkst du da sofort „Aua!“! Und obwohl seine körperliche Konstitution als erstes auffällt, hat der Junior viel mehr zu bieten. Es ist sofort zu sehen, woher seine fußballerische Ausbildung stammt. Ein technisch hervorragender, spielstarker junger Kerl, dem man sofort ansieht, mit welchen Spielern er zumindest trainiert hat und von welchen Vorbildern er gelernt hat. Ein toller Spieler aus dem schier unerschöpflich scheinenden französischen Reservoir an unglaublich talentierten und eben hervorragend ausgebildeten Nachwuchsleuten.

Sensationell wie der sich hier sofort reingeworfen hat, ganz sicher eine der vorrangigen Optionen als Nachfolger für den Seppl. Ausgestattet mit enormer Kampfkraft zur Balleroberung und -behauptung, aber eben auch schon mit großer Übersicht, Selbstvertrauen und Spielwitz. Ja, dem unterlaufen jugendnormal immer mal typische Fehler, aber erstaunlich wenige. Und der wird die schnell abstellen, ich glaube, mit der entsprechenden Spielpraxis lernt der rasant schnell! Und auch er ist, ohne große Anlaufzeit, sehr vielseitig einsetzbar. Der wetzt jetzt halt mal die Linie hoch und runter als Aushilfe, aber wer weiß, er spielt das so gut, dass ihn da auch erstmal wieder jemand verdrängen muss. Sein Tor gegen Hoffenheim war sicherlich einer der schönsten Angriffe unserer Eintracht in den letzten Jahren, und wenn er in der zweiten Halbzeit gegen die wahrscheinlich jetzt noch schwindeligen SAPler nicht furchtbar knapp neben den rechten Pfosten gezielt hätte nach grandiosem Steckpass von Götze und Hackentrick von Lindström, hätte er direkt das nächste Sensationstor nachgelegt. Ich sehe ihn jedoch langfristig tatsächlich auf der 6. Er verfügt über eine enorme Dynamik, schnell im Antritt und der Endgeschwindigkeit, hat eine gute Vororientierung, ist technisch klasse, äußerst robust und zweikampfstark, kopfballstark und kombinationssicher. Überall noch ausbaufähig, aber schon jetzt sehr komplett auf sehr hohem Niveau. Und ein Wirrkopf scheint er auch nicht zu sein. Und voll im Team angekommen ist er auch schon, sicher auch dank unserer ausgeprägten French Connection. Der wird uns mal aber so richtig viel Spaß machen!

27 Mario Götze

Mario Götze! Dass man diesen Namen überhaupt mal im Zusammenhang mit unserem Kader aufschreiben kann, ist sensationell! Und dass er bei uns spielt, ist sicher der Tatsache geschuldet, dass wir einen Moment in seiner Karriere erwischt haben, der für uns äußerst günstig ist. Vom mit durchaus damals nicht unbegründeten Erwartungen überfrachteten Siegtorschützen des WM-Finales und größten nationalen Hoffnungsträger über viele Umwege als fast abgeschriebener Holland-Exilant zum wieder aufgeblühten Nationalspieler in die Weltklasse unterwegs, ist schon ein enormes Auf und Ab in so einer Laufbahn. Ich meine, Marios Weg ist ein gutes Beispiel, um sich klarzumachen, wie eng es an der Spitze ist und was alles an Zufällen und mentaler Energie dazugehört, um dort zu landen. Einer von 1.000 Spielern schafft es aus einem Leistungszentrum in die Bundesliga. Einer! Da muss schon sehr viel passen, Talent, Trainingshärte, Gesundheit, Timing, Klarheit, mentale Stabilität und viele, viele Zufälle, um im richtigen Moment das Richtige zu tun oder zu lassen. Spielglück, entscheidende Tore, und zufällig ausgerechnet heute den richtigen Scout vom richtigen Verein auf der Tribüne oder am Zaun. Dann geschickte Berater und Beraterberater, wenig raffgierige und sehr opferbereite Eltern, ein gutes Umfeld und möglichst selbst einen klaren Kopf.

Und trotzdem kann es dann passieren, dass du, obwohl schon ganz oben angekommen, auf einmal nicht mehr richtig in die Spur kommst. Dass du auf einmal bei einem Verein spielst, wo du selbst als Super-Super-Super-Spieler nicht so perfekt ins System passt. Dann kommen Selbstzweifel, gesundheitliche Probleme, und zack, bist du raus. Es geht in diesem Geschäft genauso schnell nach oben wie nach unten. Mindestens.

Mario hat das alles erlebt, und das macht ihn im Moment zu einem Spieler, der einen unglaublichen Erfahrungsschatz hat und daraus für sich die richtigen Schlüsse gezogen hat. Jetzt ist er mit sich im Reinen und in der Lage, wieder an seine Klasse, seine Weltklasse, heranzukommen. Für ihn war der vermeintliche Rückschritt in die holländische Liga genau der richtige Schritt aus der Schusslinie. Bei einem hervorragenden Trainer in einer sehr guten Mannschaft konnte er sich wieder unter dem Radar in Form bringen und seine Fähigkeiten einbringen. Die Meisten hatten ihn unter „abgehalfterter Ex-Star“ abgeheftet. Ich nicht. Mir ist irgendwann mal ein Bericht über ihn untergekommen, und dann habe ich ein paar Spiele gesehen. Da war schnell klar, was der noch, oder wieder, drauf hat. Deshalb habe ich bei seiner Verpflichtung auch gleich gejubelt.

Einen Spieler mit diesen Qualitäten bekommt Eintracht Frankfurt normalerweise nicht. Das ist einer aus einem ganz anderen Regal. Ein Zauberer am Ball, traumhaft sicher in seiner Orientierung im Raum, ein Dirigent erster Güte, topfit und tatsächlich der laufstärkste Spieler im Kader, sowohl von der Strecke als auch bei den intensiven Läufen. Er hat eine überragende Vororientierung und ein sensationelles Gleichgewicht, auch einer dieser Spieler mit einer perfekten Mitte. Er scheint nicht sonderlich robust, aber es ist fast unmöglich, ihn vom Ball zu trennen. Er ist immer anspielbereit und weiß immer schon, was er für Optionen hat, vorher, und er hat viele. Mario kann Bewegungen mittendrin abbrechen und anders ausführen, weil er ein unglaublich gutes Auge bei der Gegnerbeobachtung hat und in der Lage ist, innerhalb von Sekundenbruchteilen darauf zu reagieren. Er sieht Räume, die selbst noch nicht wissen, dass sie Räume sind, und bringt den Ball dahin. Aus jeder Lage. Er ist überall auf dem Feld, wo es notwendig ist und nie da, wo er stören würde. Er ist halt kein Kimmich. Und selbstverständlich grätscht er auch in der 93. Minute einen Ball an der eigenen Eckfahne ab. Er hat keine überragenden Scorer-Werte, aber er spielt halt die manchmal viel entscheidenderen, aber eben nicht so prominent statistisch erfassten vorletzten Bälle, durch die dann der Assist und das Tor ganz einfach werden. Wenn ein Spieler unter Druck nicht mehr weiß, wohin mit dem Ball, ist Götze immer da, er findet eine Lösung. Entweder kommt direkt ein Zauberpass, oder er sichert mit kleinen Pässen oder einem feinen Dribbling den Ball. Er macht durch seine Präsenz eine ganze Mannschaft besser. Und das Gute ist, der Gegner bekommt das manchmal gar nicht so mit, es sieht so leicht und unangestrengt aus und oft auch ziemlich unspektakulär, auf den ersten Blick zumindest. In der Analyse hinterher bemerken sie dann, dass sie deshalb verloren haben, weil sie ihn zu keinem Zeitpunkt in den Griff bekommen haben. Es sieht nämlich erstmal so aus, als müsste man da gar nix groß in den Griff bekommen, aber das ist ein fataler Irrtum.

Wie viel Lust auf Fußball und welchen Ehrgeiz Mario hat, sieht man daran, dass er zur WM mitgefahren ist. Flick ist, nach seinen Leistungen ja nicht umhingekommen, ihn mitzunehmen. Allerdings hat er sich nicht getraut, Götze auch entsprechend einzusetzen. Das ist, zu Flicks Entschuldigung, auch durchaus nachvollziehbar. Er hätte viel umstellen müssen, und mit so gut wie keiner Vorbereitung war das kaum möglich. Ich hätte trotzdem gerne eine Nationalmannschaft mit Götze in der momentanen Verfassung gesehen. Und reibe mir nach wie vor ungläubig bei jedem Spiel die Augen, so einen Spieler bei uns im Waldstadion kicken sehen zu können.

28 Marcel Wenig

Zu Wenig kann ich absolut wenig sagen (Sorry, der musste sein…). Der erste Eindruck ist so, dass er ein vielversprechendes Talent ist, der sich aber natürlich gegen sehr starke Konkurrenz durchsetzen muss. Aber das kann jeder sagen. Deswegen lasse ich das jetzt und wünsche dem Jungen gute Genesung und raschen Anschluss.

Titelbild Daniel Roland/AFP via Getty Images

2 Gedanken zu „Quo vadis #SGE? Kadergedanken Teil 2“

  1. Großes Kino – deine Kadergedanken, Schnix!
    Alles stimmig und “nah am Mann” geschrieben.
    Jetzt erwarte ich im finalen Teil natürlich eine Vorhersage unserer konkreten Endplatzierung 😉
    (“zweiter bis achter” gildet nicht).

  2. Ja, wir haben schon eine echt geile Truppe- ich ertappe mich dabei zu denken, das das die stärkste Mannschaft seit 1992 ist, die wir gesehen haben und freue mich riesig auf den Saisonauftakt

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